Seit seiner Gründung vor zehn Jahren wird am Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) in Schleswig die Altsteinzeit in Schleswig-Holstein und verschiedenen Vergleichsregionen erforscht. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf dem Verhältnis der Jäger-Sammler-Gruppen des ausgehenden Eiszeitalters zu ihrer Umwelt. Durch rasche und teils drastische Klimaveränderungen sowie die Nachwirkungen der weichseleiszeitlichen Gletscherbedeckung Südskandinaviens unterlag auch die Pflanzen- und Tierwelt häufigen Wandlungen, sodass der Mensch sein Verhalten immer wieder an neue Situationen anpassen musste. So zählt neben der Rekonstruktion der Umweltentwicklung auch ihr Verhältnis zur kulturellen Entwicklung zu den Forschungsthemen, die am ZBSA, unter anderem im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1266 „TransformationsDimensionen“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, untersucht werden.
Ein zweiter Forschungsschwerpunkt liegt auf der Herstellung und Nutzung von Artefakten aus Feuerstein und organischen Materialien. Dabei wird einerseits versucht, die technologische Entwicklung während der ausgehenden Altsteinzeit und am Übergang zur Mittelsteinzeit nachzuvollziehen, und andererseits die Situation in Norddeutschland mit denjenigen anderer Regionen zwischen Nordfrankreich und Polen zur selben Zeit verglichen.
In diesem Vortrag wird ein Überblick über die aktuellen Forschungen am ZBSA zu den genannten Themen gegeben. Dabei wird der Bogen vom Ahrensburger Tunneltal zum Pariser Becken, von Isotopenuntersuchungen zu Schussversuchen gespannt.
Zur Vortragenden: Mara-Julia Weber studierte Ur- und Frühgeschichte, Altorientalischen Philologie und Religionswissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und der Université de Paris I (Panthéon-Sorbonne). Anschließend Doktorandin an der Universität Tübingen mit hauptsächlichem Arbeitsort am Archäologischen Landesmuseum Schleswig, seit September 2008 auch am Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA). 2010 erfolgte die Promotion und seitdem Juniorforscherin am ZBSA. 2012 Publikation der Dissertation „From technology to tradition – Re-evaluating the Hamburgian-Magdalenian relationship“. Mara Weber ist assoziiertes Mitglied der UMR (Unité mixte de recherche) 7041 ArScAn (Archéologies et Sciences de l’Antiquité) des CNRS, Mitglied im PCR (Projet collectif de recherche) Paléolithique final et Mésolithique dans le Bassin parisien et ses marges. Habitat, sociétés et environnements (Arbeitsgruppe zum Spätpaläolithikum und Mesolithikum im Pariser Becken) und im Nordic Blade Technology Network. 2008 erhielt sie den Hugo-Obermeier-Förderpreis, dadurch wurden Ausgrabungen in Ahrenshöft LA 58 D (Nordfriesland) ermöglicht. 2013 hatte sie ein Stipendium des DAAD und der Fondation de la Maison des Sciences de l'Homme und weilte in Frankreich. Seit 2013 ist sie wieder am ZBSA tätig. Sie seit Juni 2018 koordiniert Mara-Julia Weber den Themenbereich Mensch und Artefakt im ZBSA.
Montag, den 26. November 2018
um 19.30 Uhr
im Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein
Brockdorff-Rantzau-Str. 70
24864 Schleswig
Das „Nachleben“ der Runen.
Rezeption und Missbrauch germanischer Schriftzeichen im 19.–21. Jh.
von Priv. Doz. Dr. habil Sigmund Oehrl (Göttingen)
Runen sind die Schriftzeichen der germanisch sprechenden Gruppen Europas im ersten Jahrtausend n.Chr.. Das deutsche Wort „Rune“, das erst seit dem 17. Jh. existiert, geht auf das germanische Wort für „Geheimnis“ zurück, das noch heute im Verb „raunen“ fortlebt. Die Wikinger glaubten, Göttervater Odin habe die Runen erfunden. Wir kennen viele Runeninschriften, die aus religiösen oder magischen Gründen hergestellt wurden – etwa auf Amuletten oder Grabsteinen. Runen scheinen aber auch in ganz anderen Zusammenhängen verwendet worden zu sein – was soll daran „geheimnisvoll“ sein, wenn auf einem Kamm „Kamm“, auf einem Fußschemel „Schemel“ oder auf einem Schmuckgegenstand der Name der Besitzerin steht? Im Vortrag wird zunächst ein kurzer Überblick über die Runenüberlieferung Europas (insb. Deutschland und Skandinavien) geboten und eine Einführung in die wichtigsten runologischen Forschungsfragen gegeben: Woher stammt die Runenschrift? Wozu dienten Runen, wer hat sie verwendet und welche Informationen überliefern sie?
Mit der Christianisierung und der Etablierung der lateinischen Schriftkultur verschwanden die Runen weitgehend von der Bildfläche, nur in Teilen Skandinaviens blieben sie bis weit in das Mittelalter in Gebrauch. Gelehrte des 17. und 18. Jh. entdeckten die Runen wieder – und machten sie mitunter zum Gegenstand ideologischer und politischer Theorien und Spekulationen, was vor allem um 1900 und in der Nazizeit auflebte und bis heute nachwirkt. Das zentrale Thema des Vortrags sind die verschiedenen Formen neuzeitlicher Rezeption und Instrumentalisierung, insbesondere im „Dritten Reich“ und durch rechtsextreme Gruppierungen, aber auch durch Populärkulturen (Comic-Hefte, Kinofilme, Rockmusik) sowie neoheidnische und esoterische Bewegungen, die anhand von Beispielen erklärt und diskutiert werden sollen. Runen sind durchaus wieder präsent, wobei sie jedoch häufig (aber nicht ausschließlich) Negatives, Aggressives und Neonazistisches evozieren. Nicht-wissenschaftliche, populäre und nicht zuletzt ideologische Vorstellungen prägen jedenfalls das Bild, das heute allgemein von den Runen vorherrscht. Aufklärung tut Not.
Zum Vortragenden: PD Dr. habil. Sigmund Oehrl: geb. 21.11.1979 in Kassel, studierte von 1999 bis 2004 Ur- und Frühgeschichte, Germanistik und Skandinavistik an der Georg-August-Universität Göttingen, die Promotion (über Runensteine) erfolgte 2008. Von 2010 bis 2015 Wiss. Mitarbeiter im Projekt „Runische Schriftlichkeit in den germanischen Sprachen“ der Akademie der Wiss. zu Göttingen. 2013 Gastforscher von Riksantikvarieämbetet, Visby und Statens Historiska Museum, Stockholm. Zwischen 2006 bis 2017 verschiedene Stipendien und andere Förderungen durch die Gerda Henkel Stiftung, die Fritz Thyssen Stiftung und den Deutschen Akademischen Austauschdienst. 2016 wurde Oehrl an der LMU München die venia legendi für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie und für Altnordische Philologie verliehen, seit 2017 ist er Privatdozent. Zuletzt Mitarbeiter am Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie Schleswig, gegenwärtig Gastforscher an der Georgia Augusta Göttingen und Lehrbeauftragter der Universität Wien. Oehrls Forschungsschwerpunkte liegen insbesondere im Bereich der interdisziplinären „Germanischen Altertumskunde“. Zu seinen besonderen Interessen zählen Kunst und Ikonografie, Religionsgeschichte, Runologie.
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Montag, den 29. Oktober 2018
um 19.30 Uhr
im Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein
Brockdorff-Rantzau-Str. 70
24864 Schleswig
Die Ausgrabungen auf dem Flachgräberfeld von Haithabu nahmen ihren Ausgangspunkt in der Altgrabung von Helmer Salmo aus dem Jahre 1939. Wegen Ausbruchs des 2. Weltkrieges wurde die Ausgrabung
bereits nach 2 Wochen wieder niedergelegt. Am Tage des Überfalls auf Polen, am 1. September, wurden die verbleibenden Befunde mit Dachpappe abgedeckt und die Untersuchung überstürzt abgebrochen. Das
Flachgräberfeld wurde vor allem in den Jahren 1908 bis 1912 durch Friedrich Knorr auf einer zusammenhängenden Fläche von 400 m2 studiert. Mit seinen 319 Gräbern, seiner dichten Belegung und fehlenden
Grabbeigaben kommt diese Fundsituation einem christlichen Friedhof nach unseren heutigen Vorstellungen sehr nahe. „Echte“ christliche Gräber verfügen generell über keine Beigabenausstattung und sind
ost-westlich orientiert, um am Tage des Jüngsten Gerichtes die Rückkehr des Heilands zu erblicken. In der Übergangsphase, die wir in Haithabu fassen, gibt es Gräber mit heidnischer und christlicher
Symbolik.
Mit der anschließenden Erweiterung der Grabungsfläche in Richtung Südwesten wurde erwartet, Gräber aus der Spätphase von Haithabu aus dem 10. und 11. Jahrhundert untersuchen zu können. Was dabei
heraus gekommen ist, erfahren wir in dem Vortrag!
Zum Vortragenden: Sven Kalmring wurde 1976 in Hamburg geboren. Er studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Volkskunde in Kiel und Lund. Im Jahre 2002 fertigte er seine Magisterarbeit Zu den Hafenanlagen von Hedeby. Dendrochronologische und kulturgeschichtliche Untersuchungen zu den Befunden der Ausgrabung 1979/80 an. Eine Vertiefung dieses Themas folgte 2008 in seiner Dissertation Der Hafen von Haithabu. Er arbeitete seit Ende seines Studiums in verschiedenen Projekten im Museum für Archäologie, dem Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie in den Landesmuseen Schleswig-Holstein Schloss Gottorf und für die Universität in Stockholm. Zurzeit ist er im ZBSA als fester Mitarbeiter eingestellt. Seit 2015 hat er außerdem die Projektleitung der Untersuchungen "Birka's Black Earth Harbour 2015", zusammen mit Lena Holmquist, Arkeologiska forskningslaboratoriet, Stockholms universitet.
Montag, den 24. September 2018
um 19.30 Uhr
im Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein
Brockdorff-Rantzau-Str. 70
24864 Schleswig
Martin Luther wollte keine neue Kirche gründen. Und dennoch geht die Teilung der Kirche auf ihn zurück. Luther wollte auch keine geeinte deutsche Sprache begründen. Und dennoch hat er einen großen
Anteil an unserer einheitlichen deutschen Sprachkultur. Wie groß war Luthers Einfluss auf unsere Sprache? Die Antwort darauf gibt eine Zusammenfassung der sprachgeschichtlichen Forschung der letzten
zwei Generationen zu diesem Thema. Luther war eingebunden in die kursächsische Schreibtradition Wittenbergs. Die hohe Autorität und weite Verbreitung von Luthers Bibelübersetzung, geprägt durch seine
neue Übersetzungsmaxime und Sprachmächtigkeit, wird als wichtiger Steuerungsfaktor in der jüngeren Sprachgeschichte gewertet.
Hinter Luthers Sprachform der Mitte Deutschlands, seiner guten und sprachmächtigen Übersetzung stand die Autorität des Wortes Gottes – in deutscher Sprache. In der Geschichte des Neuhochdeutschen
spielte Luthers Sprache eine wichtige Rolle. Neuhochdeutsch sprechen heute katholische und evangelische Christen gleichermaßen.
Zur Vortragenden: Unser geschätzter und verehrter Ehrenvorsitzender Prof. Dr. Joachim Reichstein gibt uns die Ehre und referiert über ein Thema, dass nicht archäologisch aber gleichermaßen spannend daherkommt.
Herr Prof. Dr. Joachim Reichstein ist allen Mitgliedern der AGSH wohl ein Begriff und bekannt: als Gründer der AGSH, als ehemaliger Leiter des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein, Vorsitzender und aktives Mitglied in zahlreichen Verbänden und Organisationen als Landesarchäologe, als imposanter Redner…. und und und…
Joachim Reichstein wurde 1939 in Lüben/Schlesien geboren. Aufgewachsen ist er in Celle, wo er 1959 das Abitur ablegte. Nach seinem Wehrdienst zog es ihn nach Marburg und nahm dort das Studium der Germanistik (deswegen auch dieser Vortrag) und Geschichte auf. Gleich am ersten Studientag wurde er „Assistent von dem bedeutenden Altgermanisten Prof. Dr. Walter Mitzka. Dieser prägte und förderte seine wissenschaftlichen Interessen. Im Jahre 1961 wechselte Joachim Reichstein an die Universität Kiel, um hier weiter Germanistik und Geschichte zu studieren, wechselte aber dann ab 1962 zur Ur- und Frühgeschichte. Dort lernte er Prof. Dr. Georg Kossack kenne, der ihn für seinen weiteren wissenschaftlichen Lebensweg wesentlich prägen sollte. Seine Dissertation über die kreuzförmigen Fibeln wird heute noch als Standardwerk bezeichnet, gelang ihm doch die Periodisierung der norddeutschen, skandinavischen und englischen Völkerwanderungszeit.
Von 1967–1969 arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent in Saarbrücken, in dieser Zeit führte sein Weg zu einer Ausgrabung in den Libanon. Die Untersuchungen in Alt-Archsum auf Sylt in den folgenden Jahren bildeten den wissenschaftlichen Ansatz, der die weiteren Forschungen und die Arbeit in der Denkmalpflege prägen sollte. Ab 1983 bis 2004 war Joachim Reichstein Leiter des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte von Schleswig-Holstein, was später das noch heute existierende Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein wurde. 1987 wurde ihm der Titel eines Professors verliehen. Die schleswig-holsteinische Archäologie verdankt Joachim Reichstein viel. Sein Engagement endete mit seiner Pensionierung keineswegs und wir sind froh, dass er immer noch so „rührig“ ist.
Montag, den 25. Juni 2018
um 19.30 Uhr
im Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein
Brockdorff-Rantzau-Str. 70
24864 Schleswig
Das archäologische Fundmaterial aus dem Eiskeller des Schlosses Agathenburg in Stade
von Katharina Ostrowski
(Preisträgerin des Deutschlandstipendiums 2017)
Die Abschlussarbeit beschäftigt sich mit der Auswertung des archäologischen Fundmaterials aus dem Eiskeller des Schlosses Agathenburg bei Stade und der Interpretation im Bezug auf die Alltagskultur auf ländlichen Adelssitzen und Amtssitzen vom 17. bis 19. Jahrhunderts. Das Schloss selbst wurde von dem bedeutenden schwedischen Grafen Hans Christoph von Königsmarck (1605 – 1663) 1652 errichtet. Mitte des 18. Jahrhunderts wird es an das Königreich Hannover verkauft und als Amtssitz genutzt. Ein Jahrhundert später wird das Schloss verpachtet, heute befindet sich dort der Sitz des Stader Geschichts- und Heimatvereins, 1985 wird es an den Landkreis Stade verkauft. Schriftliche Quellen belegen die wechselhafte Geschichte der Bewohner des Schlosses, die qualitativ hochwertige Ausstattung und den wiederholten Verfall.
Bei Sanierungsarbeiten Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre wurden neben einer Gruft in der barocken Gartenanlage und verfüllten Abortanlagen auch der Kellerbereich archäologisch erschlossen. Im Keller befand sich ein bis an den Rand verfüllter und versiegelter Eiskellerschacht aus Backsteinen. Im angrenzenden Bereich eines Weinkellers wurden zudem im Jahr 2000 verschiedene Streufunde aufgelesen. Die Aufarbeitung des reichhaltigen und vielfältigen Fundmaterials beider Befunde bietet die Möglichkeit, die Alltagskultur eines ländlichen Adelssitzes, Amtssitzes und seiner Bewohner nachzuzeichnen und den frühen Konsum von Luxusgütern und Gebrauchswaren nachzuvollziehen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie die Menschen dieser Zeit in ihrem spezifischen sozialen Kontext gelebt haben und welche Möglichkeiten die Archäologie zur Beantwortung dieser Frage bietet.
Zur Vortragenden: Geboren am 25.07.1987 in Breslau, seit ca. 1991 wohnhaft in Deutschland, aufgewachsen und zur Schule gegangen in Pforzheim.
Abitur am Hebelgymnasium in Pforzheim (Baden-Württemberg), im Juni 2007
Oktober 2008 – Oktober 2009: Bachelor-Studium, Hauptfach Europäische Ethnologie, Nebenfach Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.
Oktober 2009 – September 2012: Wechsel des Hauptfachs zu Archäologische Wissenschaften, mit dem Nebenfach Psychologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.; Abschlussarbeit zum Thema: „Beschläge und Applikationen von der Burg Cucagna. Befundzusammenhänge, Deutungsmöglichkeiten und Aussagewert“
Seit Oktober 2012: eingeschrieben im Masterstudiengang Prähistorische und Historische Archäologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, zusätzlich Erwerb des Zertifikats für Osteuropa-Studien am Zentrum für Osteuropa-Studien der CAU Kiel
Februar – Juni 2014: Auslandsaufenthalt im Rahmen des Erasmus-Programms an der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen, Studienfach Archäologie. 2017 erhielt sie das von der AGSH geförderte Deutshlandstipendium.
Montag, den 28. Mai 2018
um 19.30 Uhr
im Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein
Brockdorff-Rantzau-Str. 70
24864 Schleswig
Mit Einbaum und Paddel zum Fischfang
von Dr. Stefanie Klooß (Schleswig)
Der Vortrag befasst sich mit Holzartefakten von endmesolithischen und frühneolithischen Küstensiedlungsplätzen an der südwestlichen Ostseeküste. In diesem Artikel werden die Geräte zum aktiven und passiven Fischfang präsentiert, um die Bedeutung des Fischfangs für die Subsistenz der Menschen während der Phase der Neolithisierung im Verbreitungsgebiet der der Ertebølle-Gruppen und der nördlichen Trichterbecherkultur zu belegen. Die Untersuchung der Aalstecher, Reusen, Fischzäune, Einbäume und Paddel ermöglicht Schlussfolgerungen über deren Herstellungs- und Funktionsweise sowie deren typische Charakteristika. Insbesondere wird die bisher nur in der Ertebøllezeit nachgewiesene Bauweise der Korbreusen aus Spaltstäben des Roten Hartriegels (Cornus sanguinea) und des Schneeballstrauches (Viburnum opulus) vorgestellt. Die Ergebnisse der dendrologischen Analysen zeigen darüber hinaus den damaligen hohen technischen und handwerklichen Standard. Weiterhin können die gezielte Produktion von Holzrohstoffen und damit kleinteilige Eingriffe in die Waldvegetation nachgewiesen werden. Die intensive Nutzung der stationären Fischfanganlagen impliziert das Zusammenwirken einer größeren Gruppe von Menschen und eine stabile soziale Ordnung. Mit dem Beginn des
Frühneolithikums (FN I a) ist noch keine deutliche Veränderung des Siedlungssystems oder der Subsistenzwirtschaft zu erkennen.
Zur Vortragenden:
Dr. Stefanie Klooß studierte Ur- und Frühgeschichte, Botanik und Geologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Dort absolvierte sie auch die Ausbildung zum archäologischen Forschungstaucher. Sie spezialisierte sich auf die Untersuchung von pflanzlichen Resten aus archäologischen Ausgrabungen und forscht in den Themenfeldern Nutzung von Holz- und Wildpflanzenressourcen, Fischfang, Landwirtschaft und Ernährung in prähistorischen Gesellschaften.
Montag, den 23. April 2018
um 19.30 Uhr
im Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein
Brockdorff-Rantzau-Str. 70
24864 Schleswig
„Zum Goldenen Anker“ – 500 Jahre Gastlichkeit in Harburg
Von der Preisträgerin des Archäologiepreises 2017
Janna Kordowski M.A.
Gasthäuser gehörten ab dem ausgehenden Mittelalter neben Kirche und Rathaus zu den zentralen öffentlichen Einrichtungen einer Stadt. Als Orte des öffentlichen Konsums und der Geselligkeit sowie als Knotenpunkte für Interaktionen in der Gemeinschaft und mit Reisenden vereinen sie vielfältige Aspekte des sozialen Lebens. Die Beschäftigung mit Gasthäusern kann somit einen weiten Einblick in die sozialen Praktiken der vormodernen Gesellschaft liefern. Trotzdem stehen sie bislang nicht wie andere Orte des öffentlichen Lebens im Fokus der Mittelalter- und Neuzeitarchäologie. Das Archäologische Museum Hamburg, Abteilung Bodendenkmalpflege, untersuchte 2013 unter der Leitung von Philip Lüth in Harburg in der Schloßstraße das historisch für das 19. Jh. nachgewiesene Gasthaus „Zum Goldenen Anker“. Die baulichen Reste von fünf aufeinanderfolgenden Häusern reichen sogar bis in das 15. Jh. zurück. Während der Ausgrabung konnten über 5000 Funde geborgenen werden, die einen kleinen Einblick in das Leben und Arbeiten der verschiedenen Besitzer geben. Die Preisträgerin des Archäologiepreises 2017, Janna Kordowski, verarbeitete diese dokumentierten Ergebnisse in ihrer Masterarbeit, die sie bereits kurz am Tag der Archäologie im November 2017 in kurzem Umfang vorgestellt hat. Im Rahmen unseres Abendvortrages hören wir nun die etwas ausführlichere Version.
Zur Vortragenden:
Janna Kordowski ist am 10. August 1989 in Neumünster geboren und dort auch aufgewachsen. Nach dem Abitur zog sie zum Studium nach Kiel und studierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Bachelorstudium Klassische Archäologie und Ur- und Frühgeschichte, im Masterstudium widmete sie sich voll und ganz der Ur- und Frühgeschichte.
Dienstag, den 10. April 2018
um 18:30 Uhr
zusammen mit dem Förderverein des
Archäologischen Landesmuseums e.V.
im Vortragssaal auf Schloss Gottorf in Schleswig
Expedition Wikinger
von Barbara Lipsky-Post und Stefan Lipsky
Fast vier Jahre und etwa 30.000 Kilometer sind die Journalisten Barbara Post und Stefan Lipsky durch Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen auf den Spuren der Nordmänner – und Frauen unterwegs gewesen. Sie wollten die Magie der Orte jener Zeit, die in Büchern beschrieben werden, selbst spüren.
Aber sie wollten auch nach nur selten erwähnten Plätzen suchen, an denen Geschichte in der Wikingerzeit geschrieben wurde: So findet man Spuren eines 500 m langen, gegrabenen Kanals auf der dänischen Insel Samsø. Die Reste einer 760 m langen Eichenholzbrücke im jütländischen Ravning oder einen alten, gepflasterten Straßenzug im seeländischen Risby.
Dabei stießen die Journalisten auf ein spannendes Phänomen: Die Welt der Wikinger ist auch heute kein abgeschlossenes Kapitel. Neue Funde und Erkenntnisse fügen dem Bild immer neue Facetten hinzu und verändern es. Man denke an die enorme Mobilität der Menschen jener Zeit. In der Wikingerzeit fand bereits etwas statt, was wir heute Globalisierung nennen.
Ziel dieser Expedition war es auch, in Wort und Bild zu dokumentieren, um einen Reiseführer zu den Stätten der Wikinger zu veröffentlichen. Unter dem Titel „Faszination Wikinger“ ist dieses Buch im Theiss-Verlag erschienen. Die wichtigsten zweihundert Plätze, zwischen Hamburg und dem Polarkreis, an denen die Spuren der Wikinger heute noch zu sehen sind, werden in diesem Buch dargestellt.
Montag, den 26. Februar 2018
um 19.30 Uhr
im Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein
Brockdorff-Rantzau-Str. 70
24864 Schleswig
Landschaftsentwicklung in Haithabu: unerwartete Funde in der wikingerzeitlichen Metropole
Svetlana Khamnueva (Kiel)
Ehemalige Siedlungen sind ein wichtiges Archiv zur Rekonstruktion von Mensch-Umwelt-Interaktionen. Haithabu war in der Wikingerzeit ein bedeutendes internationales Handelszentrum und eine der ersten urbanen Siedlungen in Nordeuropa und Skandinavien. Obwohl durch langjährige archäologische Untersuchungen viele Informationen über die Entwicklung Haithabus sowie die Lebensweise seiner Einwohner gewonnen wurden, steht unser Wissen über die Landschaftsentwicklung Haithabus erst am Anfang. Insbesondere der Bereich am Haithabu-Bach im westlichen Teil der Siedlung wurde bisher gar nicht untersucht. Die durch die Arbeitsgruppe Ökosystemforschung und Geoarchäologie an der CAU Kiel durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass das Ausmaß der Landschaftsveränderungen durch den Menschen wesentlich größer und vielschichtiger ist, als bisher angenommen wurde.
Mithilfe von Bohrprofilen und statistischen Analysemethoden konnten heterogene und komplexe Kulturschichten und Siedlungsablagerungen zum ersten Mal klassifiziert werden. Darauf basierend wurde die Stratigrafie der Sedimente am Haithabu-Bach ermittelt. Ein mächtiges mit Sedimenten gefülltes Tal aus der Wikingerzeit wurde direkt am Haithabu-Bach entdeckt. Die Forschungsergebnisse weisen auf eine anthropogene Entstehung des Tals hin. Detaillierte geochemische und mikromorphologische Analysen sowie Radiokarbondatierungen ermöglichten die Rekonstruktion der Phasen vor der Entstehung der Schlucht bis hin zur Verfüllung des Tals seit dem frühen Mittelalter bis heute. Die Existenz dieses breiten und tiefen Tals im zentralen Bereich der Siedlung muss eine bedeutende Rolle bei der räumlichen und funktionellen Aufteilung Haithabus gespielt haben. Mit welchem Zweck solch eine Struktur im zentralen Bereich der Siedlung geschaffen wurde, lässt sich aktuell noch nicht zweifelsfrei klären. Mehrere Hypothesen werden derzeit diskutiert: von der Optimierung des Süßwassermanagements hin zur Materialentnahme für verschiedene Siedlungsaktivitäten. In den späteren Siedlungsphasen scheint sich die Nutzung des Tals jedoch hin zur Entsorgung von Abfällen verschiedenster Art verändert zu haben.
Es ist die Fortsetzung des Vortrages vom 5.2.2015, als Prof. Dr. Hans-Rudolf Bork, Svetlana Khamnueva und Jann Wendt (Kiel) dieses gemeinsame Projekt begonnen haben. Der damalige Vortrag hieß: Neue Untersuchungen zu den Oberflächenformen von Haithabu. Oder: Wie aus einer tiefen Schlucht das Tal des Haithabu-Baches wurde. Ebenfalls zu lesen in den ANSH 2015. Die Ergebnisse werden in den ANSH 2018 zu lesen sein.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung tragen zu einem besseren Verständnis der Landnutzung und der anthropogenen Landschaftsveränderungen in Haithabu bei und sind relevant für geoarchäologische Untersuchungen in anderen proto-urbanen wikingerzeitlichen Siedlungen.
Zur Vortragenden: Svetlana Khamnueva und ist in Russland aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie begann 2004 mit dem Studium an der Fakultät für Bodenkunde in Moskau. 2009 kam sie mit einem Stipendium des DAAD (Deutschen Akademischen Austauschdienstes) nach Kiel und absolvierte dort ihr Masterstudium „Environmental Management“ an der CAU in Kiel. Sie promovierte danach am Institut für Ökosystemforschung (ebenfalls Kiel) und beendete ihre Dissertation im letzten Jahr.
Montag, den 29. Januar 2018
um 19.30 Uhr
im Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein
Brockdorff-Rantzau-Str. 70
24864 Schleswig
Viren in der alten DNA oder auch die Suche nach der Nadel
im Heuhaufen
Julian Susat (Kiel)
Julian Susat beschäftigt sich mit der Detektion von Viren/viralen Nukleinsäuren in alten DNA (aDNA)
Proben. Schon in seiner Masterarbeit versuchte er virale Sequenzen auf bioinformatischer Ebene in den Proben nachzuweisen. Dabei hat sich gezeigt, dass nur eine sehr sorgfältige manuelle Kontrolle
einen positiven Nachweis erbringen kann. Eine weitere Hürde in diesem Forschungsgebiet ist das nicht alle Viren in Knochen- oder Zahnproben vorhanden sind. Um das Virus in diesen Proben nachweisen zu
können, muss es in der Lage sein über den Blutkreislauf in die Knochen oder die Zähne gelangen. Bisher ist das Feld der sogenannten Paleovirologie/aDNA Virologie auch sehr übersichtlich, da bisher
nur eine Handvoll positiver Ergebnisse beschrieben wurde.
Zum Vortragenden: Julian Susat studierte in Hannover Pfanzenbiotechnologie und schloss dort sein Studium mit einem Bachelor ab. Danach wechselte er für sein Masterstudium der Biologie an die
Universität nach Kiel. Dort promoviert er seit 2016.
Das zuvor angekündigte Thema "Zahnstein – eine Zeitkapsel in die Vergangenheit" mit
Sabin Kornell (Kiel) wird zu einem anderen Zeitpunkt nachgeholt!